Ministerin Heike Werner und Landesgleichstellungsbeauftragte Gabi Ohler zum Internationalen Frauentag
Der erste Frauentag in Europa liegt 112 Jahre zurück. Damals kämpften die Frauen um ihr Wahlrecht, um ökonomische Gleichstellung, um politische Repräsentanz, um volle Anerkennung.
Die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, die frauenpolitischen und feministischen Forderungen haben sich über die Jahrzehnte hinweg verändert. Was aber bleibt – auch nach über 110 Jahren – ist das Bewusstsein: Der Weg zu voller Gleichstellung ist noch nicht zu Ende gegangen.
Im Jahr 2023 bewegt sich der durchschnittliche Frauenanteil in den Landesparlamenten und dem Deutschen Bundestag um ein Drittel. In Thüringen liegt er mit nur 22,7 Prozent darunter.
Der Frauenanteil in Führungspositionen in der obersten Ebene der Privatwirtschaft liegt in Thüringen bei 32,4 Prozent, die Verwaltungsspitzen sind mit 22,7 Prozent durch Frauen besetzt. Jeder dritten Frau mit Vollzeitjob droht Altersarmut.
Ihnen allen sind diese Zahlen nicht unbekannt und es mag ermüdend sein, sie sich immer wieder vor Augen zu führen. Doch es ist notwendig. Gesellschaftliche Werte, Errungenschaften und Vereinbarungen sind prozesshaft. Um sie zu erhalten, braucht es das fortwährende Einstehen dazu. Dass zum Beispiel die Abschaffung des Frauenwahlrechts nicht zur Debatte steht, zeigt wie gefestigt der demokratische Gedanke in der Gesellschaft ist. Dass Gewalt gegen Frauen und Sexismus noch immer zu unserem Alltag gehört, zeigt wiederum, dass es hier weiterhin großer Anstrengung bedarf, um dieses gesellschaftliche Muster aufzulösen. Dass Frauen sich noch immer mit Rollenbildern konfrontiert sehen, die ihnen Sorge, Pflege, Familienarbeit als Liebesdienst und natürliche Begabung zuweist, zeigt auch hier die Notwendigkeit des Perspektivwechsels.
In der Thüringer Verfassung verpflichten sich das Land, seine Gebietskörperschaften und andere Träger der öffentlichen Verwaltung dazu, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen des öffentlichen Lebens durch geeignete Maßnahmen zu fördern und zu sichern.
Und dazu sollten nicht nur die Frauen alleine beitragen: Alle sind gefragt. Die Gleichstellung der Geschlechter bezieht die Männer explizit ein. Längst sind die Debatten und Auseinandersetzungen keine „Frauenthemen“ mehr, sondern Themen einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung. Die Bewältigung der Herausforderungen des demografischen Wandels, der Digitalisierung und der gesellschaftlichen Gestaltung von Sorge und Pflege sind hier prägnante Beispiele. Bedauerlicherweise sind Fragen der Krisenbewältigung von besonderer Aktualität.
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen einen engagierten Internationalen Frauentag verbunden mit dem Bewusstsein darüber, dass Gleichstellung an jedem Tag des Jahres Beachtung finden muss.
Herzliche Grüße
Heike Werner Gabi Ohler
8. März - Internationaler Frauentag

Hier finden Sie Veranstaltungsinformationen rund um den Internationalen Frauentag:
- Get together am 03.03.2023 in Erfurt mit Ministerin Heike Werner und Gabi Ohler
- Veranstaltungswoche in Hildburghausen
- Veranstaltungswoche in Erfurt; Workshop "Druck machen! Frauenbewegung in Deutschland"
- Lesung Svenja Gräfen am 07.03.2023 in Hildburghausen
- Film "She Said" am 08.03.2023 in Sondershausen
- Veranstaltung "Frauen sind MEHR wert!" am 08.03.2023 in Schleiz
- Kabarett 31.03.2023 in Sondershausen
Gabi Ohler - Beauftragte für die Gleichstellung von Frau und Mann des Freistaats Thüringen
"Geschlechtergerechtigkeit ist ein substantieller Aspekt von Demokratie".
Eine lebendige Demokratie muss immer danach streben, Ungerechtigkeiten zu beseitigen und Frauen, Männern und nicht-binären Menschen die gleichen Chancen und Möglichkeiten zu bieten, mit denen sie ihre Interessen und Fähigkeiten verwirklichen können. Ebenso müssen unsere Anstrengungen darauf gerichtet sein, für alle, die Hilfe und Unterstützung benötigen, diese zugänglich zu machen. Dies ist Grundlage meiner Arbeit.
Das Frauenwahlrecht wurde vor über hundert Jahren eingeführt. Vor etwas mehr als 70 Jahren wurde der Gleichstellungsgrundsatz im Grundgesetz verankert. Und dennoch gibt es zahlreiche unerfüllte Aufgaben. Noch immer verdienen Frauen im Vergleich weniger als Männer, sind im Alter öfter arm, sind diejenigen, die Familie und Pflegeberufe am Laufen halten. Umgekehrt werden den Männern, die sich die Familienpflichten mit ihren Frauen gleichberechtigt teilen wollen, Steine in den Weg gelegt, ist es für sie häufig schwerer, die Hälfte der Elternzeit zu nehmen. Nach wie vor ist Deutschland stärker als einige andere europäische Länder von einem tradierten Familien- und Frauen- und Männerbild geprägt, das gleichstellungspolitische Fortschritte erschwert.
Und dennoch haben wir unendliche viele Möglichkeiten, die unseren Großmüttern und deren Mütter nicht zugänglich waren. Frauen wissen das und wollen nicht mehr dorthin zurück. Immer mehr Frauen wollen sich nicht mehr entscheiden zwischen Karriere oder Kindern, sind nicht mehr damit zufrieden, unter einem Chef zu arbeiten, fordern ihren gerechten Anteil an gesellschaftlicher Teilhabe ein. Auch immer mehr Männer verlassen die alten Rollen, sehen sich nicht mehr als abwesender Familienernährer, als derjenige, der immer stark, unverletzlich und nie krank sein darf.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Viele in dieser Gesellschaft brauchen Hilfe oder Unterstützung, um selbstbestimmt leben zu können. Dies gilt insbesondere auch für Frauen, die unter Gewalt zu leiden haben. Ich sehe es als meine Aufgabe, den Schutz vor häuslicher Gewalt insbesondere für Frauen zu verbessern, dabei aber nicht jene Männer zu vergessen, die ebenfalls Opfer werden. Eine wichtige Aufgabe ist es, jene zu erreichen, die die Hilfsangebote nicht kennen, die keine Hilfe suchen und die sich mit der familiären Gewalt arrangieren. Hier müssen die Angebote passförmiger werden. Wir müssen es den Gewaltopfern ermöglichen, ihrer familiären Situation zu entfliehen und sich ein Leben jenseits der Gewalt aufzubauen.
Ihre Gabi Ohler

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